Kunst und Kultur
Vielgestaltig und farbenreich: Max Weilers figurale Abstraktionen; © gemeinfrei / Wikimedia
Simon 29.5.2017

Max Weiler auf Briefmarke

„Ich kann den Griffel verfolgen, der mich schreibt.“ (Max Weiler)

Altes Zwanzgerhaus
Das alte Zwanzgerhaus vor dem Umbau (© gemeinfrei / Wikimedia)

Ich erinnere mich ganz genau: Es war eine meiner ersten Ausstellungen moderner Kunst, die ich als, sagen wir, schon etwas größeres Kind gesehen habe. Die allererste war ja im sogenannten „Zwanzgerhaus“, oberhalb des Belvedere in Wien, beim damaligen Südbahnhof. Heute gibt es übrigens weder das eine noch das andere mehr; 21er Haus und Hauptbahnhof bilden die neue Generation – das eine im Wortsinn, der andere höchstens im übertragenen.

Wie auch immer: Hier geht es ja jetzt um die Gegenwartskunst, mit der ich als Heranwachsender erstmals konfrontiert wurde, wohltuend für mich, gewiss, nach all den lähmend langweiligen Museumsbesuchen, wo ich zwischen Dinosaurierskeletten einerseits und goldgerahmten Prunkgemälden andererseits stets auf der Suche nach jenen Dingen war, die mein Interesse tatsächlich weckten.

Im erwähnten Zwanzgerhaus also, auch daran erinnere ich mich noch, war ich ein bisschen enttäuscht, was ich heute, ein halbes Leben später, auf mein zu diesem Zeitpunkt recht geringes Alter zurückführe. Was hätte ich auch mit Nitsch’schen Aktionsrelikten oder Hundertwassers Regentropfenfenstern anfangen sollen? „Menstrutationsbindenbild“ las ich mühevoll, ohne auch nur im Mindesten zu verstehen, was das sein sollte, bevor meine Mutter mich am Arm nahm und rasch weiterzog – immerhin zu einer schönen, wenn auch für mich wenig beeindruckenden Nackten von Ernst Fuchs, erhaben schön allerdings, ja geradezu göttlich, weswegen wir vermutlich auch länger davor stehen blieben.

Dies alles ist aber nicht das, was ich hier erzählen möchte. Die Tür zu einer damals für mich so empfundenen neuen Welt wurde nämlich nicht in Wien, sondern einige Zeit später in einer unscheinbaren Galerie in der Altstadt von Salzburg auf unerwartet wunderbare Weise geöffnet. Der Tag begann der Sommerzeit zum Trotz ausgesprochen trüb, wie so viele im Laufe der ungezählten Wochen, die ich während meiner Schulferien im Salzkammergut verbrachte. Wieder kein Badetag, wieder irgendeine Besichtigung – also auf nach Salzburg. Die Festung, Schloss Mirabell, Hellbrunn, Mozarts Geburtshaus – alles war schon abgehakt, war es doch, wie gesagt, nicht der erste Schlechtwettertag. Wie wäre es einmal mit einer Galerie, wie wäre es mit schönen Bildern? Naja – ein mäßig erfreutes Murren kam aus meiner Ebene, nicht ahnend freilich, welch überwältigend nachhaltiges Erlebnis auf mich zukommen sollte.

Mein Erweckungserlebnis

Was ich an diesem Nachmittag zu sehen bekam, verzauberte mich – Pathos hin oder her – auf der Stelle. Die gezeigten Werke waren von einem gewissen Max Weiler, einem für mich bis dahin völlig unbekannten Maler, und seine fröhlich bunten Farbreisen faszinierten mich im Augenblick des spontanen Betrachtens, Bild für Bild. Mit meinen zwölf, dreizehn Jahren erlebte ich meinen ersten wahren Kunst-„Genuss“, nicht Interesse vortäuschend – „Ja, ist eh schön“ – sondern im ehrlichen Gefühl, eine richtige Freud’ damit zu haben. Woran das wohl lag, habe ich mich später immer wieder gefragt, ohne jemals eine objektiv richtige Antwort darauf zu finden. Ich weiß lediglich, dass ich von einem Bild zum anderen ging, ergriffen von den rätselhaften Formen und den kräftigen Farben, manche seiner Zitate las und erstmals intuitiv begriff, dass Kunst tatsächlich in der Lage ist, zu verändern. Verstanden habe ich selbstverständlich nicht das Geringste, aber es machte mir nichts aus, denn dafür spürte ich ja umso mehr. Die wunderbare Erkenntnis, dass Kunst nicht nur Porträts von längst verstorbenen Herrschern oder langweiligen Landschaften in verschnörkselten Goldrahmen ist, machte aus diesem trüben Tag einen überaus hellen und aus mir einen frühen Verehrer der modernen Kunst. Ich erklärte Max Weiler umgehend zur bedeutendsten Person dieser hoffnungslos verregneten Salzkammergutwoche und behandelte den kleinen mitgenommenen Galerie-Folder, der die Ausstellung begleitete, mit einer Sorgfalt, die sich jedes meiner Schulbücher stets nur wünschen konnte.

Viele Jahre sind seit diesem Nachmittag in Salzburg vergangen, unzählige in hohem Maße eindrucksvolle Galerie- und Museumsbesuche an den verschiedensten Orten auf der ganzen Welt sind gefolgt, hunderte gelesene Kunstbücher und vermutlich tausende betrachtete Kunstwerke später ist dennoch eines geblieben: die Begeisterung für den österreichischen Maler Max Weiler, der wie kaum ein anderer eine „Figürlichkeit“ in der Abstraktion zeigt.

„Malen als Schöpfung“

Faszinierend ist, dass es Weiler bereits in jungen Jahren gelang, eine höchst eigenständige Sicht auf die Welt zu entwickeln; in den Fünfzigerjahren befreite er sich dann zunehmend von der Gegenständlichkeit und wandte sich mehr und mehr einer freien gestischen Malerei zu. Der Dialog mit der Natur wurde dabei zum zentralen Thema seines Schaffens, wobei er stets betonte, dass er die Natur als allumfassende Erscheinung betrachte – „Malen als Schöpfung“. In seinen ästhetischen Interpretationen setzte er den Gefühlswert der Farbe in der ihm eigenen Formensprache auf virtuose Weise ein, und vor allem in Weilers Spätwerk standen einander leuchtende Farben in spannungsvoller Dichtheit harmonisch gegenüber. Die Österreichische Post widmete dem bedeutenden Künstler in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten dankenswerterweise gleich drei Briefmarken, die überaus eindrucksvolle Arbeiten von Max Weiler zeigen und einen attraktiven Bogen seines Oeuvres spannen. Große Kunst auf kleinem Format also.

Max Weiler, (m)ein Prophet

Neben seinen Bildern und wunderschönen Briefmarken, die bis heute so erfrischend großen Einfluss auf mich haben, erfreue ich mich immer wieder auch an so manch pointierter Aussage Weilers. An schlechteren Tagen greife ich zum Beispiel gerne auf diese zurück: „Ich lebe in einer Gesellschaft, mit der ich fast keine geistige Gemeinsamkeit habe“, an besseren bevorzuge ich das Zitat „Ich mach, was mich freut, und dies freut mich, und so freut’s mich“. Fühle ich mich in meinem urbanen Umfeld gerade besonders wohl, dann hat „Provinz ist dort, wo sich die Kritiker zuerst anschauen, was modern ist und dann urteilen“ seine bestätigende Wirkung; kann ich nachts nicht schlafen, was beizeiten vorkommt, dann empfinde ich mit Weilers Feststellung „Bilder mach ich am Tage, in der Nacht kommen mir Gedanken über das Leben und die Welt“ nahe Verwandtschaft.

Max Weiler, der Prophet? Für mich ein großes Ja, und zwar in jeder Hinsicht. Als Kind eröffneten mir seine Bilder eine neue Welt, die mich lehrte, an das Schöne, an Farben und an die Poesie zu glauben. Und als Erwachsener fühle ich mich durch seine Arbeit nicht nur ermutigt, sondern auch bestätigt, als Kind gelernt zu haben, an das Schöne, an Farben und an die Poesie zu glauben. Und wenn Sie weiter in die Welt dieses großen Künstlers eintauchen möchten, dann besuchen Sie vielleicht fürs erste diese Seite.

 

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